Die Blender Foundation hat ihr Release-Modell für die freie 3D-Software Blender umgestellt. Aber jetzt sollen nur noch drei statt bisher Versionen pro Jahr erscheinen. Diese drei Versionen umspannen einen Releasezyklus, an dessen Ende eine neue Version mit Long Term Support (LTS) steht. Am Anfang des Zyklus werden noch die meisten Neuerungen eingebaut, am Ende des Zyklus wird dann mehr Wert auf Politur und Stabilisierung gelegt. Neue Features, die viel umkrempeln, kommen dann tendentiell eher ins nächste Release. Da die letzte Version 3.6 von Blender ein LTS-Release war, ist Blender 4.0 natürlich vollgestopft mit Änderungen. Und da die Entwickler einen Monat länger Zeit hatten, ist die Liste diesmal besonders lang.
Kompatibilität
Blender 4.0 ist nochmals ein Sonderfall, da es sich um eine neue Major-Version handelt. Alle zwei Jahre oder alle sechs Releases wird die Zahl vor dem Punkt um eins hochgezählt. Bei solchen Versionen erlauben sich die Entwickler, alte Zöpfe abzuschneiden und die Vorwärtskompatibilität zu brechen. Im Falle von Blender 4.0 betrifft es das interne Meshformat, das überarbeitet wurde. Wenn man eine mit Blender 4.0 erstellte .blend-Datei mit einer älteren Version öffnen möchte, muss man sie zunächst in Blender 3.6 öffnen und dort erneut speichert. Blender 3.6 fungiert dabei als Konverter in das ältere .blend-Format. Wenn man in nicht-Multilayer-EXR-Dateien rendert, wird der Depth Pass nicht mehr mitgespeichert.
Kein Verlinken ohne Nutzen
Gelinkte Datenblöcke, die nicht verwendet werden, werden in Blender 4.0 auch nicht mehr in der Datei gespeichert, auch dann nicht, wenn sie mit einem Fake User versehen sind. Wenn man einen solchen Datenblock auch ohne Nutzer behalten möchte, muss man diesen jetzt über eine Custom Property referenzieren. Dafür wurde die Möglichkeit geschaffen, beliebige Datenblöcke als Custom Property über die Benutzeroberfläche zu definieren. Die Funktionalität dafür besteht schon länger, war bisher aber nur über die Python-API exponiert.
Das Minimum
Unter Windows und Linux wurde die minimal unterstützte Version von OpenGL auf 4.3 angehoben. Unter Mac OS wurde OpenGL komplett entfernt. Hier wird nur noch Metal unterstützt, wofür eine Grafikkarte mit mindestens Metal 2.2 benötigt wird. Intel Macs ohne AMD-Karte benötigen mindestens einen Prozessor der Skylake-Architektur. Aufgrund von Treiberproblemen wurde die Unterstützung für die Intel HD4000-Serie vollständig eingestellt.
Eigene Werkzeuge aus Geometry Nodes
In Blender 4.0 ist es erstmals möglich, eigene Operatoren bzw. Werkzeuge ohne Programmierkenntnisse zu erstellen. Möglich machen dies die Geometry Nodes. Dort lassen sich jetzt Node Groups als Operator definieren und im Blender-Alltag als Werkzeuge einsetzen. Eine Reihe neuer Nodes bieten Funktionen, die in einem solchen Fall nützlich sind. Zum Beispiel kann man über Geometry Nodes jetzt abfragen, welche Punkte, Kanten oder Flächen eines Modells der Nutzer ausgewählt hat, auch die aktuell selektierten Objekte und die Position sowie Rotation des 3D-Cursors können jetzt über Geometry Nodes abgefragt werden.
Immer und immer wieder
Über die neue Repeat Zone können Nodes mehrfach ausgeführt werden, was beim Programmieren dem Konzept einer Schleife entspricht. Mehrfach verschachtelte Nodegroups müssen jetzt also nicht mehr für diesen Zweck missbraucht werden. Simulation Zones können jetzt individuell gebacken werden.
Neue Nodes
Rotationen haben jetzt einen eigenen Socket und es gibt acht neue Nodes, um die Arbeit mit selbigen zu erleichtern. Mit der neuen Node “Points to Curves” lassen sich Kurven erzeugen, die durch eine Reihe von Punkten gehen.
Modifier aus Geometry Nodes
Bisher gab es in Blender einen Modifier, der Geometry Nodes-Nodetrees ausführen kann, und den Asset Manager, über den man Geometry Nodes-Setups direkt auf Objekte ziehen kann, sofern sie als Asset markiert sind. Warum nicht beides zusammenführen und Geometry Nodes-Assets direkt ins Modifier-Menü aufnehmen? In Blender 4.0 funktioniert nun genau das. Zusätzlich wurde das Menü zum Hinzufügen eines Modifiers an die Standards von Blender angepasst. Es ist jetzt in Untermenüs unterteilt und kann über die Tastenkombination Umschalt+A geöffnet werden, wie man es von anderer Stelle her kennt. Die obersten vier Einträge beinhalten die klassischen Modifier von Blender, alles darunter basiert auf Geometry Nodes.
Type-ahead-find
Alle Menüs zum Hinzufügen, die mit Umschalt+A geöffnet werden, lassen sich jetzt durchsuchen, indem man direkt lostippt. Alle anderen Menüs lassen sich ebenfalls durchsuchen, dort muss man die Leertaste drücken, um die Suche starten zu können. Die Taste F3, die die Hauptsuche in Blender öffnet, funktioniert an dieser Stelle nicht. Egal ob mittels F3 oder der Leertaste, Blender 4.0 merkt sich, was zuletzt gesucht und ausgeführt wurde, und zeigt diese Befehle ganz oben in der Ergebnisliste. Dieses Verhalten kann in den Benutzereinstellungen geändert werden.
UI Goodies
Wenn sich ein Menü aus Platzgründen nach oben öffnet, ist die Sortiertung nicht mehr invertiert. Bei Baumansichten helfen Hierarchielinien, die Verschachtelungen besser zu erkennen. Bei Listen werden Einträge, die keine Mehrfachauswahl erlauben, jetzt mit Radio Buttons versehen. Der Color Picker ist etwas größer geworden, wordurch sich feine Farbabstufungen leichter definieren lassen. Beim Abspeichern von Dateien gibt es jetzt einen Menüeintrag für inkrementelles Speichern, man muss dafür also nicht mehr “Save As” in Verbindung mit dem Plus-Symbol im Dateibrowser verwenden.
In der Pythonkonsole kann man jetzt an eine beliebige Stelle mit der Maus klicken und der Cursor springt an die Stelle. Außerdem sind viele weitere Optionen verfügbar, die man aus Texteditoren kennt, wie alles Auswählen über Strg+A oder Markierung von Text über Umschalt+Pfeiltasten.
3D Viewport-Fortschritte
Der Header des 3D Viewport hat jetzt einen semitransparenten Hintergrund, der Tool Header ist in Bereichen ohne Buttons komplett transparent. Im Visibility Popover werden jetzt die Icons der Objekttypen angezeigt. Der Hintergrund des 3D Viewports ist jetzt wieder einheitlich grau, da der Vignettierungseffekt auf manch einer Hardware zu Artefakten bzw. Glitches geführt hat.
Das Statistics-Overlay zeigt jetzt auch im Objekt Mode die Anzahl der Punkte, Kanten und Flächen der gerade selektierten Objekte zusätzlich zu den Statistiken für die gesamte Szene an. Invalide Caches werden in der Timeline gestrichelt angezeigt. Marker in der Timeline können jetzt per Doppelklick umbenannt werden, wie es auch in anderen Bereichen von Blender gehandhabt wird.
Outliner-Expansion
Im Outliner funktioniert Drag and Drop jetzt auch zwischen unterschiedlichen Blender-Fenstern, zum Beispiel beim Einsatz von Multi-Monitor-Systemen. “Select Hierarchy”, womit man z.B. alle Objekte in einer Collection auswählen kann, funktioniert jetzt auch, wenn man mehrere Collections angewählt hat.
Side-by-side
Unter Windows wurde die Unterstützung für Side-by-Side-Installationen verbessert. Grundsätzlich kann es bei Blender leicht passieren, dass man eine bestimmte Version für ein Projekt benötigt, wenn man mit anderen zusammenarbeitet. Die Software war schon immer sehr genügsam, was mehrere Installationen nebeneinander anging. Mit Blender 4.0 hat man jetzt auch beim “Öffnen mit”-Dialog eine Auswahl an unterschiedlichen Versionen und die Liste der zuletzt bearbeiteten Dateien wird jetzt pro Version gepflegt. Welche Version von Blender nun eine Datei öffnet, wenn man doppelt auf sie klickt, kann jetzt für den lokalen Benutzer oder global festgelegt werden und die Verknüpfung kann auch wieder gelöst werden.
Sub-Panels in Nodes
Nodes können in Blender 4.0 Sub-Panels haben, welche Sockets in einklappbare Bereiche gruppieren. Das wurde auch gleich in der neuen Principled BSDF ausgenutzt, welche jetzt deutlich aufgeräumter daherkommt. Subsurface Scattering nutzt jetzt die Base Color statt eines separaten Farbeingangs, der freie Socket wurde vom SSS Scale-Input übernommen mit dem der Radius der einzelnen Kanäle multipliziert wird. Diesen Schritt musste man sonst von Hand mit einem Set Extra-Nodes durchführen.
Aus zwei mach eins
Die Steuerung von Reflektion und Transmission wird jetzt von einem gemeinsamen IOR Level gesteuert. Wenn auch nicht physikalisch korrekt, so können nicht-metallische Reflektionen jetzt trotzdem eingefärbt werden über den neuen Specular Tint-Eingang. Dieser wird auch genutzt, um die Ränder metallischer Oberflächen zu färben, wie es in der Realität zu erwarten wäre. Dieser basiert auf dem F82 Tint-Modell, das auch in Substance Designer Verwendung findet. In Verbindung mit der Base Color (F0) lassen sich so physikalisch korrekte Metalle definieren.
Lackschicht
Die Coat-Schicht ist jetzt über dem Emission-Layer. Das bedeutet, dass man Smartphone-Displays etc. mit einer emissiven Komponente hinter einer Glasschicht direkt in der Principled BSDF simulieren kann. Der Lack kann jetzt auch eingefärbt werden und hat einen eigenen IOR-Eingang, kann damit also auch für komplexere Beschichtungen wie Autolacke eingesetzt werden.
Staubschicht
Die äußerste Schicht ist jetzt der Sheen, der nun ein Mikrofaser-Modell verwendet und auch für die Modellierung von Staubschichten genutzt werden kann. In der Vergangenheit war die Nützlichkeit von Sheen auf Textilien beschränkt.
Nicht nur Staub oder Samt
Die Velvet BSDF heißt jetzt “Sheen BSDF” und hat nun zwei Modelle zur Auswahl. Der neue Standard “Microfiber” nutzt die gleichen Algorithmen wie der Sheen Layer der Principled BSDF und soll sich für deutlich mehr Stofftypen als nur Samt eignen soll. Die Anisotropy BSDF wurde entfernt, ihre Features sind jetzt Teil der Glossy BSDF.
Haare mit elliptischem Querschnitt
In Cycles nutzt die Principled Hair BSDF jetzt einen neuen Unterbau, der auch elliptische Haarquerschnitte erlaubt, wie sie bei menschlichen Haaren zumeist vorkommen. Die neue Methode heißt “Huang” und eignet sich besonders gut, wenn die Haare aus einer gewissen Entfernung gerendert werden. Die bisherige Methode “Chiang” kann weiterhin ausgewählt werden, sie eignet sich besser für Nahaufnahmen.
Pfadfinder
Das Path Guiding in Cycles sorgt für weniger Rauschen, indem Strahlen ein wenig in Richtung Lichtquellen gestupst werden. In Blender 4.0 funktioniert es jetzt auch mit der Glossy-Komponente der Oberflächen, was sowohl Rauschen reduziert, also auch schwieriger zu erreichende Lichtpfade ausfindig macht.
Light Linking für Cycles
Eines der ganz großen Features von Blender 4.0 ist Light Linking für Cycles. Damit wird es erstmals möglich, den Einfluss einer Lichtquelle auf eine Collection von Objekten zu beschränken. Ebenfalls kann eingeschränkt werden, auf welche Objekte Schatten geworfen werden. Ein Must-Have für VFX, Product Shots, Character Renderings, Automotive und noch viel mehr.
Neue Hardware
Der neue M3-Prozessor von Apple kann seine Grafikeinheit jetzt auch zum Rendern in Cycles nutzen. Besitzer eines integrierten Grafikchips von AMD auf Basis der RNDA 2&3-Architekturen können sich ebenfalls freuen.
HDR-Displays unter Mac OS
Blender arbeitet intern mit einem viel größeren Farbraum, als ihn herkömmliche Displays darstellen können. Unter Mac OS kann man, dank der neuen High Dynamic Range-Option im Farbmanagement, jetzt auch HDR-Displays nutzen. Diese können auch Farbwerte über 1.0 ausgeben.
AgX-Farbtransformation
Bei herkömmlichen Displays ist bei 1.0 Schluss, hier hilft die neue AgX-Farbtransformation weiter. Diese bringt den hohen Dynamikumfang von Blender in den 0.0-1.0-Bereich, den normale Displays darstellen können. Dabei werden Effekte digitaler Kameras mitberechnet, wo selbst Licht in einer stark saturierten Farbe bei großer Helligkeit gegen weiß geht.
Upgrades für den Live-Compositor
Als All-in-One-Paket bringt Blender auch einen Compositor mit, dessen Ergebnisse schon seit einiger Zeit mehr oder weniger live im Viewport angezeigt werden können. Neu dazugekommen beim Live-Preview ist Greenscreen-Keying, Masken mit weichen Rändern und eine Reihe weiterer Nodes. Die Vorschauen werden jetzt in einem kleinen Fenster über den Nodes angezeigt.
Kuwahara-Filter
Ausnahmsweise mal nicht per KI sondern ganz traditionell prozedural verwandelt der Kuwahara-Filter Fotos oder Renderings in Gemälde. Die dabei erreichbare Qualität schlägt ähnliche Verfahren um Längen.
Equalizer für den Video Sequence Editor
Blender hält sich im Audiobereich eigentlich zurück, da die Entwickler der Ansicht sind, dass man Audio nicht nur halbherzig unterstützen sollte, sondern wenn dann gleich auf professionellem Niveau, wo andere aber Jahrzehnte an Erfahrung mitbringen. Daher ist der Audiobereich immer noch der einzige, bei dem man aus Blender heraus muss, wenn man einen Animationsfilm produzieren will. In Blender 4.0 erhält der Video Sequence Editor einen Equalizer für Sound Strips. Weiterhin wurde die Waveform-Darstellung in den Sounds Strips massiv beschleunigt. Dadurch wird es jetzt zum ersten Mal möglich, in Blender Tonspuren rudimentär zusammenzumixen. Für weitergehende Funktionen, wie einen Kompressor, muss man die Software aber weiterhin verlassen.
Butterworth-Filter
Im Graph Editor kann man jetzt zusätzlich zum Guassian- auch den Butterworth-Filter zum Glätten von Animationsdaten verwenden. Der Filter eignet sich besonders gut zum Glätten von dichten Keyframedaten, wie sie bei Motion Capture anfallen. Beim Abspielen von Animationen sollte es jetzt zu weniger Rucklern kommen und die Anzeige der Animationskurven wurde beschleunigt, was sich vor allem bei vielen Kanälen und Keyframes bemerkbar macht, wie sie ebenfalls bei Motion Capture anfallen.
Bendy Bones
Die Bendy Bones in Blender kann man sich wie biegsame Knochen vorstellen. Und diese sind manchmal schon in der Rest Pose gebogen. Bisher wurde diese Information aber nicht für das Mapping der Gewichtungen auf die umliegende Geometrie mit einbezogen. In Blender 4.0 wird diese Information mitgenommen, weshalb es mit Bendy Bones seltener zu Verzerrungen der Geometrie kommen sollte.
Ebenfalls zu Verzerrungen konnte es bisher kommen, wenn man bei herkömmlichen Knochen im Armature Modifier die Option zur Erhaltung des Volumens eingeschaltet hat und dann eine Bewegung mit sowohl Rotation, als auch Skalierung durchführte. Ein neues Verfahren soll auch in diesem Fall ein korrektes Ergebnis abliefern.
Fazit
Die Release Notes von Blender 4.0 sind nicht nur äußerst umfrangreich, es tut auch einfach gut sie zu lesen. Es sind besonders die vielen kleinen Verbesserungen, die die Arbeit mit Blender erleichtern und vereinfachen, an denen wir Gefallen gefunden haben. Hier ist ein Sonderfall in der Bedienung weggefallen, dort wurde ein UI-Element in ein übergeordnetes Konzept integriert. Obwohl immer mehr Entwickler an Blender arbeiten, wirkt die Software mit jedem Release etwas mehr wie aus einem Guss. Und am nächsten Release wird schon gearbeitet, wir sind gespannt auf Eevee Next.
Dieser Artikel erschien im Magazin Digital Production, Ausgabe 2306.