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20 Jahre Blender- Artikel in Digital Production 1501

Die 3D-Software Blender war nicht immer frei, sondern begann als Inhouse-Tool des niederländischen Studios NeoGeo. Später wurde sie im Trubel des Dotcom-Booms Freeware und nach dem Platzen der Blase über eine Crowdfunding-Kampagne Open Source. Diese Vergangenheit wirkt bis heute nach in der Art, wie Blender entwickelt wird. Digital Production wagt einen Blick zurück in die turbulente Vergangenheit von Blender und seine Entwicklung bis heute.

Neue Form

Der Ursprung von Blender findet sich im niederländischen Studio NeoGeo (altgriechisch für „neue Form“ und nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Spielekonsole, die erst Jahre nach der Gründung des Studios auf den Markt kam). NeoGeo wurde 1988 gegründet und arbeitete zu Beginn mit dem Amiga und Grafiksoftware, die für diese Plattform zur Verfügung stand, allerdings auch mit selbst entwickelten Tools.

SGI & Siggraph

Anfang der Neunziger wechselte das Studio auf Silicon Graphics (SGI) Workstations. Die Software dafür wollte man allerdings selbst entwickeln, wobei auch Kostengründe eine Rolle spielten. Die für ein solches Vorhaben notwendigen technischen Informationen sammelte man bei Siggraph, der größten wissenschaftlichen Konferenz für Computergrafik. Die „Siggraph Conference Proceedings“ enthielten die notwendigen Informationen über die wichtigsten 3D-Technologien und bildeten somit die Grundlage für die 3D-Programme bei NeoGeo.

Mitte der Neunziger beschloss das Team, die Inhouse-Werkzeuge komplett neu zu schreiben. Diese Aufgabe wurde 1995 angepackt- und damit der Grundstein für das gelegt, was heute als Blender bekannt ist. Es handelte sich dabei um die dritte eigens entwickelte Softwaregeneration bei NeoGeo und sie wurde von Grund auf aus dem Boden gestampft. Man hatte zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als sechs Jahre Erfahrung im 3D-Bereich gesammelt. Die vorhergehende Software, „Traces“, hatte vom Interface her zum Beispiel bereits eine frappierende Ähnlichkeit mit Blender bis Version 2.49.

Trivia: Der Name ist übrigens inspiriert vom Song „Blender“ der Band Yello. Darin wird ein Mixer angepriesen, der so viele Features hat, dass man ihn zum Beispiel auch als Staubsauger verwenden kann. Das passte zur Philosophie des Programms, möglichst viele Aufgaben im 3D-Animations-Workflow erledigen zu können. Eigentlich war die Zeit der All-In-One-Programme Ende der 80er-Jahre bereits vorbei, möglicherweise ist Blender der „letzte Dinosaurier“ in diesem Bereich.

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Interface-Steinzeit: Ein Screenshot des Interfaces der Blender-Version 1.65

Ursprünglich ein Inhouse-Werkzeug

Da Blender als Inhouse-Tool entstand, war die Entwicklung von Anfang an stark vom Input der Content-Ersteller geprägt. Deren Wünsche unterscheiden sich deutlich von jenen, die zum Beispiel Neu- oder Quereinsteiger bei einer Software haben. Ein möglichst schneller Workflow war das Ziel, darauf wurde in den ersten Jahren konsequent hingearbeitet. Der Nachteil dieses Ansatzes lag darin, dass Blender eine sehr steile Lernkurve hatte, denn schnelles und flüssiges Arbeiten und ein einfaches Erlernen der Werkzeuge korrelieren nicht immer.

Aufgrund veränderter Marktbedingungen in den Niederlanden wurde das Studio NeoGeo geschlossen. Ton Roosendaal, einer der Mitbegründer von NeoGeo und Hauptentwickler von Blender, eröffnete stattdessen die Firma NaN (Not a Number). Diese konzentrierte sich ausschließlich auf die Entwicklung und Vermarktung von Blender.

Dotcom-Boom and -Bust

Auf Solaris, BSD, Linux et cetera war Blender Freeware, die Windows-Version kostete hingegen rund 100 Euro. Bevor die großen Hollywood-Studios von SGI auf Linux umschwenkten (und damit auch die meiste Software portiert wurde), war Blender das einzige halbwegs professionelle 3D-Programm, das auf Linux funktionierte. In dieser Nische entwickelte sich eine aktive Community beziehungsweise Fan-Gemeinde um das Programm, die später noch einmal sehr wichtig werden sollte.

Das eigentliche Ziel war aber nicht der Verkauf von Blender an sich, sondern von Services darum herum. Das Erstellen von Bildern und Animationen war vollkommen kostenlos. Das Geschäftsmodell setzte bei interaktiven Inhalten an. So gab es ein Plugin für Web-Browser und als ActiveX für PowerPoint, Word et cetera, um mit Blender erstellte 3D-Inhalte anzeigen zu können. Auch konnte man interaktive Applikationen und Spiele direkt aus Blender heraus erstellen. Mit dem normalen Blender erstellte Projekte hatten jedoch Wasserzeichen und eine reduzierte Funktionalität. Die kommerzielle Version von Blender, vertrieben unter dem Namen „Blender Publisher“, erlaubte das Exportieren von Projekten mit allen Features, wie zum Beispiel der für Web-Inhalte wichtigen Kompression. Es war damit also grundsätzlich möglich, mit einer Software 3D-Applikationen zu erstellen und diese nicht nur für alle wichtigen Betriebssysteme, sondern auch für das Web zu exportieren. Es gab sogar einen Prototypen um Spiele direkt auf die Sony PlayStation zu exportieren.

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Ikaworld: Ein Screenshot aus Version 1.73 von Blender, der bereits die integrierte Game Engine zeigt.

Blender war damals sozusagen eine Art Unity 3D mit integrierten Modellierwerkzeugen. Nur eben zehn Jahre zu früh. Während der Zeit des Dotcom-Booms zog die junge Firma Investoren an. Nach dem Platzen der Blase wurde die Vermarktung aber schwieriger und im Jahr 2002 stellte NaN die Arbeit ein.

Die erste Internet-Crowdfunging-Kampagne der Welt

Damit Blender nicht für immer in der digitalen Versenkung verschwand, handelte Ton Roosendaal mit den Investoren folgenden Deal aus: Gegen einen „Kaufpreis“ von 100.000 Euro wurde der gesamte Quellcode von Blender unter eine Open-Source-Lizenz gestellt. Da die Investoren Angst hatten, dass eine andere Firma den Quellcode nehmen und ein neues, kommerzielles 3D-Produkt entwickeln könnte, wurde die GNU General Public License (GPL) als Lizenz gewählt. Sie ist eine der striktesten Open-Source-Lizenzen und erlaubt eine Verwendung des Codes nur, wenn das Ergebnis ebenfalls wieder Open Source ist. Damit wird verhindert, dass der Code in Nicht-Open-Source- respektive proprietärer Software eingesetzt wird. Daher war das Risiko, dass Blender von einer anderen Firma als Basis genutzt werden könnte, gering.

Die 100.000 Euro wurden über eine Crowdfunding-Kampagne im Internet gesammelt. Es handelte sich um die erste derartige Aktion, war aber bereits ähnlich aufgebaut wie heutige Crowdfunding-Kampagnen. Nutzer konnten entweder einen beliebigen Betrag spenden oder einzelne „Perks“ erwerben, wie zum Beispiel für rund 50 Euro ein Download-Paket mit Extras. Die Spenden respektive Investitionen wurden zu 100 Prozent von Privatpersonen gestiftet, Firmen waren nicht involviert.

Trivia: „Crowdfunding“ war in der Prä-Urheberrechts-Ära im Druckgewerbe weit verbreitet. Das Risiko einer Buchveröffentlichung wurde über sogenannte „Subskriptionslisten“ reduziert. Wer sich in eine solche Liste eintrug, verpflichtete sich, das Buch bei Erscheinen zum angegebenen Preis zu kaufen. Diese Tradition hat sich bei kleinen Verlangen für Nischenthemen bis heute fortgesetzt.

Der bekannteste Nutzer des Subskriptionsmodells ist mit Sicherheit Wolfgang Amadeus Mozart, der diese Form der Finanzierung nicht nur für Notendrucke sondern auch für Live-Konzerte nutzte. Damit war Ton Roosendaal nicht der Erste, der eine Crowdfunding-Kampagne durchführte, sondern lediglich der Erste, der dies über das Internet tat.

Eine Stiftung für den Quellcode

Im nächsten Schritt wurde eine Stiftung aufgesetzt: die „Blender Foundation“ mit Sitz in Amsterdam. Ihr wurde der gesamte Source Code von Blender überschrieben. Im Oktober 2002 wurde der Quellcode schließlich unter der GPL veröffentlicht. Damit begann die Entwicklung von Blender als Open-Source-Programm.

Das neue Entwicklungsmodell führte dazu, dass nicht mehr das umgesetzt wurde, was der Markt nach Einschätzung einer Firma und ihrer Investoren verlangte, sondern das, was die Nutzer benötigten. Ein Beispiel dafür ist das Interface, das seither immer wieder Anpassungen erfahren hat, um den Einstieg in Blender zu erleichtern, ohne die „Power-Nutzer“ zu vergraulen.

Ein anderer Aspekt des neuen Entwicklungskonzepts war, dass ehemalige Kernbereiche der Software gegenüber anderen Baustellen stark an Bedeutung verloren. Während der Dotcom-Zeit wurde die Entwicklung von Blender stark in Richtung interaktive Echtzeitinhalte vorangetrieben. Dafür wurde zum Beispiel eine Spiele-Engine integriert, die sowohl über Python-Skripte als auch über Logik-Blöcke programmiert werden kann. Darauf konzentrierten sich eine Zeit lang nahezu 100 Prozent der Entwicklungsressourcen, während sich nach der Offenlegung des Codes nur noch eine relativ kleine Gruppe damit beschäftigte.

Was stark anstieg, war die Anzahl der Nutzer sowie der Entwickler. Viele Entwickler wollten allerdings nur einzelne Features einbauen, egal wie diese ins Gesamtkonzept passten. Die Jahre 2003 bis 2005 waren daher von „Feature-Creep“ geprägt, dem Phänomen, dass einer Software immer mehr Funktionen hinzugefügt werden, ohne den Bedarf an Wartung und Pflege, die jede Funktion benötigt, zu würdigen.

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Commits pro Monat: Die Grafik zeigt die Anzahl der Änderungen pro Monat am Kern von Blender, seit die Software im Jahr 2OO2 Open Source wurde. Der Höhepunkt war demnach im Mai 2O12 mit rund 9OO Änderungen. Seither pendelt die Anzahl bei rund 5OO Änderungen pro Monat, mit rückläufiger Tendenz. Quelle: OpenHub.net

Die Open Movies

Um dem entgegen zu wirken, wurde vom Blender Institute im Jahr 2005 das erste Open Movie „Elephants Dream“ ins Leben gerufen. Die Idee war, Künstler und Entwickler zusammen zu bringen. Die Künstler sollten dabei über einen Zeitraum von mehreren Monaten einen Film erstellen und währenddessen von den Programmierern unterstützt werden. Dadurch entstand eine Fokussierung auf die wirklich wichtigen Elemente von Blender. Während die Blender Community sich zahllose Features wünscht, merkt eine Gruppe von Künstlern schnell, welche davon für sie wirklich wichtig sind.

Trivia: Die Blender Foundation und das Blender Institute sind zwei unterschiedliche Instanzen. Die Foundation existiert seit 2002 und ist als Stiftung hauptsächlich dafür da, den Quellcode von Blender zu sichern und zu verwalten. Auch ist es aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit möglich, Spenden steuerlich abzusetzen. Diese Gelder werden für die Bezahlung von Entwicklern eingesetzt.

Das Blender Institute hingegen ist eine Firma, die Trainingsmaterial erstellt und verkauft, weitere Entwickler anstellt und die Open Movies durchführt. Gegründet wurde es im Jahr 2007, um riskantere Bereiche der Entwicklung und Vermarktung von Blender, wie eben die Open Movies, auszulagern.

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Open Movie History: Wenn man sich der Reihe nach die Open Movies der Blender Foundation anschaut, sieht man, wie sich die Features über die Jahre entwickelt haben. Bei „Elephants Dream“ (2OO6) war das Erstellen eines Kurzfilms mit Blender das Ziel. Die weiteren Filme waren hingegen „feature driven“. Bei „Big Buck Bunny“ (2OO8) sollte eine Haarsimulation in Blender integriert werden, die auch für das Gras genutzt wurde. Bei „Sintel“ (2O1O) waren unter anderem Global Illumination sowie Feuer und Rauch angedacht. Während Letzteres in den Hauptzweig von Blender Einzug hielt, blieb Global Illumination für den internen Renderer im Entwicklerzweig für den Film stecken. Sprich: „Sintel“ wurde mit GI gerendert, in die normale Version von Blender wurde diese aber nie integriert. Bei „Tears of Steel“ (2O12) waren Motion Tracking und verbessertes Compositing geplant. Beide Features wurden entwickelt und sind jetzt Teil von Blender. Bei „Caminandes 2“ (2O13) hingegen wurden nur kleinere Verbesserungen für den Workflow entwickelt.

Back to the Roots

Das Konzept hinter den Open Movies kann getrost als eine Rückbesinnung auf die Zeiten gesehen werden, als Blender noch ein Inhouse-Tool für NeoGeo war. Beim ersten Open Movie ging es noch darum, überhaupt einen Kurzfilm fertig zu stellen. Bei den folgenden Filmen wurden hingegen jeweils Ziele für die Softwareentwicklung gesetzt. Bei „Big Buck Bunny“ sollte eine Haarsimulation für das Fell der Tiere integriert werden. Für „Sintel“ waren Rauch und Feuer auf der Liste und für „Tears of Steel“ ein Motion Tracker sowie Verbesserungen beim Compositing.

Neben der Entwicklung und dem ausgiebigen Testen von Features konnten die Open Movies auch als Aushängeschild dafür genutzt werden, was mit Blender machbar ist. Denn Blender hat keine PR-Abteilung, die bei Studios nach herausragenden Werken sucht und diese nach Absprache ausgiebig präsentiert. Betrachtet man die Open Movies in der Reihenfolge ihrer Entstehung, so lässt sich gut nachvollziehen, wie sich die Software über die Jahre entwickelt hat.

Ein neues Interface

Die über die Jahre entstandenen und gefestigten Strukturen mit fest angestellten Entwicklern bei der Blender Foundation und dem Blender Institute erlaubten schließlich größere Projekte. Im Jahr 2008 wurde damit begonnen, das User Interface, Animationssystem und weitere Kernkomponenten von Blender zu überarbeiten. Nach rund drei Jahren wurde 2011 die erste fertige Version von Blender 2.5 veröffentlicht. Die Bedienkonzepte von Blender basieren auch heute noch auf dieser Version und werden seither Stück für Stück verfeinert.

Große Brocken

Unter der Haube wird aber immer noch in größeren Schritten geplant. So befindet sich beispielsweise seit rund drei Jahren ein Projekt zum Upgrade des Viewports in Arbeit. Auch der Dependency Graph kann nur in größeren Schritten ausgetauscht werden und die Überarbeitung der Mesh-Struktur „B-Mesh“, die unter anderem N-Gons zur Verfügung stellte, hat ebenfalls mehrere Jahre Entwicklungszeit benötigt.

Was bringt die Zukunft?

Die Blender Foundation hat daher einen Zeitplan für die nächsten größeren Umwälzungen aufgesetzt. In den nächsten Monaten wird der Pilot-Kurzfilm für das Projekt „Gooseberry“ im Vordergrund stehen. Dabei handelt es sich um einen rund 20-minütigen Kurzfilm, der als Pitch für den ersten Langfilm des Blender Institutes dienen soll.

"Gooseberry" soll von einer Reihe kleiner Studios erstellt werden, die über den ganzen Globus verteilt sind. Um dies zu bewerkstelligen, sollen Werkzeuge zur Online-Kollaboration erstellt werden. Diese werden zum Teil direkt in Blender integriert sein, zum Teil in der „Blender Cloud“. Diese wird ebenfalls als Open Source entwickelt, ist aber eine eigenständige Software, die Werkzeuge für die digitale Zusammenarbeit bereitstellen soll. Genauere Informationen über die geplanten Funktionen sind noch rar, zumindest ein Asset-Manager wird mit Sicherheit entwickelt.

Die Entwicklung seit den Open-Source-Anfängen

Seitdem Blender Open Source ist, lässt sich die Entwicklung sehr detailliert nachvollziehen. So ist die Code-Basis seit der Veröffentlichung der Quellen auf rund das Fünffache angewachsen. Die Anzahl der Beteiligten sowie der Änderungen ist bis ungefähr 2011/12 konstant gewachsen und ist nun in einem Prozess des Einpendelns. Die alle zwei Monate erscheinenden Releases haben zumeist eine große Zahl an Änderungen aufzuweisen.

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Lines of Code: Die Code-Basis von Blender hat sich seit der Offenlegung des Quellcodes vervielfacht. Quelle: OpenHub.net

 

Dieser Artikel erschien im Magazin Digital Production, Ausgabe 1501. Herunterladen können Sie ihn hier als PDF. Darüber hinaus gibt es noch ein Interview mit Ton Rosendaal, dem ursprünglichen Entwickler von Blender und Vorsitzenden der Blender Foundation.


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