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Interview: Joshua Leung aka „Aligorith", Hauptentwickler des Grease Pencil

Joshua Leung, in der Blender-Welt bekannt als „Aligorith“, ist der Hauptentwickler der Grease Pencil-Werkzeuge. Er stammt aus Christchurch, New Zealand. Er arbeitet bereits seit 10 Jahren an Blender und ist verantwortlich für nahezu das gesamte Animations-System in Blender und den Grease Pencil. Momentan arbeitet er an seiner Doktor-Arbeit im Fach Informatik, das Thema ist die Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Sein Blog findet sich auf http://aligorith.blogspot.de/.

BD: Wie bist du auf Blender gestoßen und wie kam es, dass du angefangen hast, für Blender zu entwickeln?

Joshua Leung: Ich hatte mit Blender angefangen, da war Version 2.33 gerade herausgekommen. Zuvor hatte ich mit Draw3D, Anim8or und OpenFX gearbeitet, aber aus diesen Programmen war ich „herausgewachsen“. Wie viele Leute damals lernte ich Blender mit dem Lebkuchenmann-Tutorial, da hat es Klick gemacht. Aber anders als viele andere damals (und möglicherweise heute immer noch) wollte ich immer meine eigenen Kurzfilme animieren. Obwohl Informationen zu Rigging und Animation in Blender sehr spärlich zu finden waren, schaffte ich es, genug Einblicke in die Arbeit der „Alten Meister“ (und Schnipsel bestehender Rigs) zu erlangen, um meine eigenen, damals noch sehr groben Character-Rigs zu basteln. Mit diesen Rigs begann ich, einfache Szenen zu animieren. Fast alle mit zwei Charakteren, Lippen-Synchronisation und Partikeln für Haare. Das hatte ich gemacht, obwohl ich damals nicht wirklich viel über Animation wusste und gleichzeitig einen schwachbrüstigen Computer nutzte, der nicht so richtig klargekommen ist mit meinen Anforderungen.

Während Project Orange (heute bekannt als Elephants Dream) fing ich an, die Entwicklung von Blender zu verfolgen. Damals war ich begeistert und erstaunt zugleich von Ton Roosendaals inzwischen legendären Programmier-Urlauben. Er machte damals „Urlaub“, und wenn er aus dem Urlaub zurückkam, hatte er immer großartige neue Sachen dabei. Eine davon war die Refaktorisierung der Animations-Werkzeuge. Aus seinem Urlaub brachte er ein komplett frisch entwickeltes Armature-System mit. Da war noch eine Notiz dran, dass der Rest des Systems „später“ überarbeitet werden sollte. Nach mehreren Monaten wartete ich immer noch darauf, dass dieses „später“ passieren würde. Aber es kam nicht. Damals bekamen das Render-System und der Compositor die meiste Aufmerksamkeit. Glücklicherweise erkannte ich damals, dass ich meine Fähigkeiten als Programmierer nutzen könnte, um selbst ein paar der Funktionen zu implementieren, die ich mir fürs Animieren wünschte. Richtig los ging es dann ein wenig später in 2006, als das Plumiferos-Projekt Animations-Features haben wollte. Das war ungefähr zur selben Zeit, als ich es endlich geschafft hatte, Blender zu kompilieren. Zehn Jahre, tausende Commits und einige Refaktorisierungen später sind wir in der Gegenwart angelangt.

BD: Wann hattest du dich entschieden, den Grease Pencil zu entwickeln und welches Potential hattest du darin gesehen?

Joshua Leung: Mit dem Grease Pencil hatte ich Mitte 2008 angefangen. Damals gab es einigen Wirbel in der Animations-Gemeinschaft um ein Werkzeug, das bei Pixar für Brad Bird entwickelt wurde, damit er über die Arbeit eines Animators zeichnen und darüber Feedback geben konnte. Jason Schleifer hatte etwas ähnliches als Plugin für Maya entwickelt und viele Animatoren waren davon begeistert, weil es ihnen beim Planen ihrer Arbeit half. Eines kam zum Anderen und bald arbeitete ich daran, die grundlegenden Funktionen des Grease Pencils zu entwickeln, mit gutem Rat von Matt Ebb was die Benutzeroberfläche anging. Viele Dinge wie die Möglichkeit, Freihand-Striche zu zeichnen, die direkt im 3D-Raum existieren, waren eigentlich nur glückliche Zufälle oder Dinge, deren Implementierung offensichtlich war, weil dafür nur ein oder zwei kleine Schritte mehr von Nöten waren. Wahrscheinlich hat auch die Tatsache, dass das meine ersten Erfahrungen mit einem Zeichenwerkzeug waren, dazu beigetragen. Außerdem war es das erste Mal, dass ich eine größere Sache mit OpenGL machte.

Nebenbei bemerkt, damals gab es noch kein brauchbares Versionskontrollsystem bevor man etwas in das zentrale CVS/SVN-Repository einpflegen konnte. Mitten im Entwicklungsprozess ist der Bildschirm meines Laptops kaputt gegangen. Ich musste also wieder auf mein altes, schwaches System ausweichen, um den Rest fertig zu stellen. Ich habe es dann aber dennoch geschaft, Version 1.0 des Grease Pencils in Blender einzupflegen, als Werkzeug zum Planen und für Anmerkungen.

Damals dachte ich, dass es damit getan war: Ein Werkzeug, das gut genug war für die Aufgaben, für die es gedacht war. Von Zeit zu Zeit machten einige Nutzer Tests mit 2D-Animation damit, auf ganz traditionelle Weise, nah an dem, was Animatoren nutzen, um ihre Shots zu planen. Zur gleichen Zeit erkannten Add-on-Entwickler, dass sie den Grease Pencil nutzen konnten, um händisch gezeichnete Eingaben für ihre Werzeuge zu erhalten (ein Beispiel dafür sind die Fracture-Tools, bei denen man mit dem Grease-Pencil Bruchkanten auf Meshes zeichnen kann, Anm. der Redaktion). Das war ein unerwarteter Bonus, der die vielfältigen Möglichkeiten dieses einfachen Werkzeugs aufzeigte, das ich einige Jahre zuvor entwickelt hatte.

Vor ein bis zwei Jahren hat Daniel M. Lara dann plötzlich angefangen, eine Reihe kurzer Animations-Tests zu veröffentlichen. Diese hatte er mit dem Grease Pencil gezeichnet, aber er hat ihn auf wirklich erstaunliche, geradezu verrückte Weise benutzt. Ich hatte nie zuvor gesehen, dass der Grease Pencil so eingesetzt wurde. Er hat einfach all die Möglichkeiten ausgenutzt, die der Grease Pencil bot, die aber noch nicht vollständig erforscht waren. Er hat sich dann mit mir in Verbindung gesetzt. Wir haben ein wenig darüber gesprochen, wie er die Animationen umgesetzt hat und wie der Prozess vereinfacht werden könnte. Eins kam zum Anderen und es entstand der Editor-Modus für Striche, die Unterstützung für Sculpting und zahlreiche Verbesserungen an der Benutzeroberfläche.

BD: Nutzt du selbst den Grease Pencil?

Joshua Leung: Ja, aber nicht so gut. Es gibt einen Grund, warum ich 3D-Animationen mache, anstatt mich weiter an 2D-Animationen mit MS Paint und dem Marquee-Auswahl-Werkzeug zu versuchen (lacht).

Als der Grease Pencil immer besser wurde, habe auch ich angefangen, damit ein wenig herumzuspielen. Ein paar kleine Zeichnungen habe ich erstellt und allgemein habe ich einfach Spaß dabei, ihn zum Üben von 2D-Animation zu nutzen. Bisher sind nur ein paar kleine Tests dabei herausgekommen, die man sich auf YouTube ansehen kann (https://www.youtube.com/channel/UCxtz_EdqZ6mr92meiC-12Fw). Aber ich habe bemerkt, dass es für mich als Entwickler wirklich hilfreich ist, wenn ich direkte Erfahrungen mit meiner eigenen Software machen kann. Also wenn ich sie als ganz normaler Nutzer ausprobieren kann, anstatt sie einfach nur zu entwickeln, mit kontrollierten Tests beim Arbeiten an bestimmten Features. Der Wert dieser kleinen Übungen ist immens, denn so viele kleine Mängel, Fehler und Eigenarten lassen sich direkt erkennen. Vieles davon sind Dinge, die würde man von normalen Nutzern, die mit ihrer Arbeit beschäftigt sind, gar nicht erfahren. Solche kleinen Dinge stehen plötzlich mit einer Klarheit vor einem, die einem erlaubt, sie anzupacken und binnen kürzester Zeit zu lösen.

BD: Was sind deine Pläne für die Zukunft des Grease Pencils?

Joshua Leung: Da sind ein paar wirklich aufregende Sachen in der Mache, von denen ich hoffe, sie bald ankündigen zu können. Ansonsten gibt es ein paar grundsätzliche Richtungen, in die sich die Entwicklung bewegt. Es geht darum, den Grease Pencil „produktionsreif“ zu machen. Der Grease Pencil soll eine eigene Nische bekommen und diese auch ausfüllen. Ich hoffe, dass damit auch eine neue Welle von künstlerischen Experimenten ermöglicht wird. Hier eine Auflistung:

Die Qualität der Striche verbessern und flexiblere Kontrollmöglichkeiten einführen – Dinge wie eine höhere Qualität beim Malen, mehr Linienstile (z.B. über Texturen, Shading und prozedurale Optionen). Dann noch die Integration in den Renderer, zum Beispiel über Zusammenarbeit mit Freestyle, sowohl im Viewport, als auch beim Rendern. Insbesondere würde ich gerne einen besonders gut aussehenden Bleistift-Look im Viewport erreichen, ähnlich den wunderschönen Arbeiten von Glen Keane für Duet. Nur, dass sie digital erstellt werden können über OpenGL, auf einfacher Hardware.

Animationen leichter machen – Dinge wie automatische Vervollständigung, Interpolation usw. Es gibt da viele sehr spannende Möglichkeiten um mächtige Animations-Werkzeuge erstellen zu können. Da ist auch ein gewisser Eigennutz dabei, denn damit könnte ich endlich selbst ordentliche Animationen erstellen.

BD: Inwieweit handelt es sich beim Grease Pencil um ein Forschungs-Projekt und gab es Reaktionen aus akademischen Kreisen?

Joshua Leung: Der Grease Pencil ist in allererster Linie ein Werkzeug für Künstler. Er soll die Anforderungen, die bei einer Animations-Produktion aufkommen, erfüllen. Er soll neue Möglichkeiten eröffnen, damit Leute Dinge erreichen können, die zuvor unter die Ablage „unmöglich“ gekommen wären. Wie John Lasseter oft gesagt hat: „Die Kunst fordert die Technologie heraus, und die Technologie inspiriert die Kunst“. Für mich ist der Grease Pencil eine Art von Forschungs-Projekt, das immer weiter geht. Eine Testumgebung, wo wir mit neuen Techniken experimentieren und den Animation-Workflow für alle verbessern können. Ich bin da mit viel Leidenschaft bei der Sache, neue und bessere Wege sowie Werkzeuge zu (er-)finden. Und es macht wirklich viel Spaß. Als Forschungsprojekt im formalen bzw. akademischen Sinn war der Grease Pencil aber nie angelegt.

 

Dieses Interview erschien im Magazin Digital Production, Ausgabe 1604. Herunterladen können Sie es hier im PDF-Format. Den zugehörigen Artikel zum Grease Pencil finden Sie hier auf BlenderDiplom. Des Weiteren gibt es ein Interview mit Daniel M. Lara über den Einsatz des Grease Pencil für 2D-Animation.


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